Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB

In den polizeilichen Kriminalstatistiken führt das Nichtabführen von Arbeitnehmerbeiträgen an die Sozialkassen regelmäßig die Liste der am häufigsten verfolgten Wirtschaftsstraftaten an. Das liegt vor allem daran, dass Verfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt sehr schnell eingeleitet werden, da die Sozialversicherungsträger Verdächtiges schnell anzeigen.

Arbeitsgeber sind somit in Deutschland gut beraten, Beiträge der Sozialversicherung stets ordnungsgemäß abzuführen. Wer dabei Fristen nicht einhält, unrichtige und unvollständige Angaben macht oder gar die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus Eigennutz vorenthält, gerät rasch in Konflikt mit § 266a StGB, dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Unter Umständen drohen dann Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren.

Sobald ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer anzumelden und die Sozialbeiträge an die Sozialversicherungsträger (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften etc.) zu leisten. Dies gilt sogar dann, wenn kein Arbeitslohn bezahlt wurde. Bei einer Insolvenz oder nach einer sozialrechtlichen Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung fallen etwaige „Ungereimtheiten“ schnell auf und führen zur Anzeige.

Sollte Ihnen Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelts vorgeworfen werden, empfiehlt es sich angesichts der sagenhaft hohen Aufklärungsrate von 99,8% (Angabe des BKA), rechtzeitig einen Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht aufzusuchen. Schon im Beratungsgespräch finde ich für Sie gute Ansätze, um den Vorwurf aus der Welt zu schaffen oder zumindest Strafmilderung zu erreichen.

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Täter können nur Arbeitgeber oder gleichstellte Personen sein

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist ein „Sonderdelikt“, für das lediglich Arbeitgeber (§ 266a Abs.1 und 2 StGB) oder gleichgestellte Personen wie etwa der Auftraggeber eines Heimarbeiters (Abs. 5) infrage kommen. Als Arbeitgeber kann allgemein derjenige verstanden werden, der von einem Arbeitnehmer Dienste verrichten lässt. Bei Gesellschaften haftet der Gesellschafter, bei Verbänden das entsprechende Organ. Bei der GmbH kommen als taugliche Täter sowohl der vertretungsberechtigte Geschäftsführer als auch der faktische Geschäftsführer infrage.

Wann mache ich mich wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt schuldig?

Man macht sich des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt schuldig, wenn man die Arbeitnehmerbeiträgen an die Sozialkassen nicht (korrekt) abführt. Denn, sobald ein Beschäftigungsverhältnis besteht, hat der Arbeitgeber laut § 7 SGB IV für den Arbeitnehmer die Hälfte der Anteile an Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abzuführen. Das Vorliegen einer Beschäftigung ist nicht allein daran festzumachen, ob der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit entlohnt wird. Das Ausführen von Tätigkeiten nach Weisung kann bereits als Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ausreichen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers einbezogen wird.

Beitragsvorenthaltung – und damit eine Tathandlung im Sinne von § 266a StGB – liegt vor, wenn die fälligen Beiträge nicht an die Einzugsstelle am Tag der Fälligkeit abgeführt werden. § 266a Abs. 1 StGB bezieht sich ausschließlich auf das Vorenthalten der Arbeitnehmeranteile. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitgeber die Einzugsstellen vom Beschäftigungsverhältnis in Kenntnis gesetzt hat. Sobald ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherungsträger abzuführen.

Die Wahl des Begriffes stellt zugleich sicher, dass auch kollusives (einvernehmliches) Verhalten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von § 266a StGB erfasst wird. Daher liegt bei Schwarzarbeit in der Regel immer auch ein Vergehen im Sinne von § 266a StGB vor.

Gleichgestellte Tathandlungen bei Vorenthalten oder Veruntreuen des Arbeitsentgelts

Strafbar macht sich nach Absatz 2 des § 266a StGB auch, wer als Arbeitgeber unrichtige oder auch nur unvollständige Angaben macht und so den von ihm zu tragenden Arbeitgeberanteil nicht ordnungsgemäß abführt. Gemäß Absatz 3 des Gesetzes macht sich des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt auch schuldig, wer als Arbeitgeber beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, freiwillige Versicherungen oder Lohnpfändungen einbehält, diese aber nicht an die berechtigten Stellen abführt.

Rechtsgut

Ziel des Gesetzes ist der Schutz der Solidargemeinschaft, konkret: die Sicherung des Beitragsaufkommens der Sozialversicherungsträger sowie der Bundesanstalt für Arbeit. Diesem Rechtsgut hat der Gesetzgeber einen besonders hohen Rang eingeräumt. Bei einer Insolvenz hat entsprechend die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge Vorrang vor den Ansprüchen anderer Gläubiger – sogar vor den Ansprüchen der Arbeitnehmer auf Zahlung der Nettolöhne.

Was passiert, wenn man zahlungsunfähig ist

Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist § 266a StGB ein Unterlassungsdelikt. Unterlassung setzt die Pflicht und die Möglichkeit voraus, die Zahlungen überhaupt leisten zu müssen und zu können. Wer krankheitsbedingt nicht zur Zahlung der Beiträge in der Lage ist, macht sich u.U. nicht strafbar. Allerdings stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Sicherung der Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Gerade bei Liquiditätsproblemen sind Arbeitgeber gehalten, die Zahlung der Sozialabgaben sicherzustellen. Werden dennoch zuerst Löhne gezahlt, Gläubiger bedient oder Vermögenswerte entnommen, macht sich der taugliche Täter schadensersatzpflichtig und strafbar.

Strafen bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Das Strafmaß hängt zum einen von der Höhe der vorenthaltenen Beträge, zum anderen auch von der Dauer der Beitragsvorenthaltung ab. § 266a StGB sieht sowohl Geldstrafen als auch Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor. In besonders schweren Fällen (§ 266a Abs. 4 StGB) reicht der Strafrahmen von sechs Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitgeber „aus grobem Eigennutz“ und in „großem Ausmaß“ Beiträge (in der Regel ab einer Summe von 50.000 Euro) vorenthält.

Das Strafmaß erhöht sich auch, wenn zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege benutzt werden, die von Dritten erwerbsmäßig angeboten werden. Das Gleiche gilt für Bandenkriminalität sowie für Arbeitnehmer, die die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzen, der seine Befugnisse oder Stellung missbraucht.

Strafbefreiung durch rechtzeitige „Selbstanzeige“

Absatz 6 des § 266a StGB räumt Arbeitgebern die Möglichkeit ein, einer Bestrafung durch „Selbstanzeige“ zu entgehen. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Täter schriftlich an die Einzugsstelle wendet – und zwar möglichst zum Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. unverzüglich nach Eintritt der Fälligkeit der Beiträge. Mitzuteilen ist die Höhe der vorenthaltenen Beiträge. Ebenfalls erforderlich ist eine Darlegung der Gründe, warum eine fristgerechte Zahlung nicht möglich ist.

Die Einzugsstelle wird daraufhin eine Frist setzen, bis zu der die Beträge nachzureichen sind. Hält sich der Täter an diese Frist, geht er straffrei aus.

Wann tritt die Verjährung bei Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt ein?

Nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre für das Grunddelikt des § 266a Abs. 1 und 2 StGB. Diese Frist beginnt allerdings erst, wenn die Tat auch beendet ist.

Die Beendigung der Tat liegt in den Fällen des § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB („unrichtige Angaben machen“) dann vor, wenn der Fälligkeitszeitpunkt verstrichen ist.

Bei der Unterlassungsvariante des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB („in Unkenntnis lassen“) soll Beendigung erst dann vorliegen, wenn die sozialversicherungsrechtliche Beitragsfrist erloschen ist.

Da die Beitragspflicht jedoch erst nach 30 Jahren erlischt, kann die Verjährung von Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB auch erst nach 35 Jahren eintreten (bisherige Rechtsprechung, vgl. Fischer, StGB § 266a Rn. 18a). Nunmehr stellte sich aber der 1. Strafsenat des BGH gegen diese bisherige Rechtsprechung und möchte die Beendigung ebenfalls mit Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes eintreten lassen (Vorlagebeschluss vom 13.11.2019 – 1 StR 58/19 = NStZ 2020, 159). Er fragte daher bei den anderen Strafsenaten an, ob sie diese Rechtsprechungsänderung mittragen würden. Es kann daher gut sein, dass sich in dieser Frage bald etwas ändert und sich die Verjährungsfrist bei der Unterlassungsvariante des § 266a StGB somit stark verkürzt.

Im Übrigen tritt Beendigung auch ein, wenn der Vertreter einer juristischen Person aus dieser Stellung ausscheidet, die Beitragsschuld verjährt, die Erfüllung nachträglich unmöglich oder unzumutbar geworden ist, etwa durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (vgl. OLG Dresden, NStZ 2011, 163).

Sollten Sie eine Anzeige wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266 StGB erhalten haben, rufen Sie mich gerne an. In einem unverbindlichen und kostenlosen Beratungsgespräch kläre ich mit Ihnen eventuelle Verteidigungsansätze und das weitere Vorgehen.