Wucher nach § 138 BGB und dessen Strafbarkeit nach § 291 StGB

Beispiele für Wucher kennt vermutlich jeder von uns:

  • Schlüsseldienste, die für ihre Leistungen überzogen hohe Rechnungen stellen
  • Onlineshops, die für ihre Ware das Vielfache des üblichen Preises verlangen
  • Makler, die Räume weit über dem Durchschnitt der ortsüblichen Vergleichsmieten vermieten
  • Geldverleiher, die Menschen in Notlage überteuerte Zinsen aufbürden

Alltagssprachlich bezeichnen wir etwas als Wucher, wenn für Leistungen überhöhte Preise angesetzt werden. Auch das Ausnutzen von Unwissen, Schwäche oder einer Notlage einer Vertragspartei gehört zur Bedeutung des Wortes. Damit kommt der Alltagsgebrauch des Wortes dem juristischen Begriff Wucher schon sehr nahe.

Sittenwidrigkeit von Geschäften: Wucher nach § 138 BGB

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bezeichnet den Wucher nach § 138 BGB als „sittenwidriges Rechtsgeschäft“. Nach § 138 Absatz 1 BGB sind solche Geschäfte nichtig, also unwirksam. Die Voraussetzungen dafür, dass ein solches Rechtsgeschäft für nichtig erklärt werden kann, sind in § 138 Absatz 2 BGB aufgeführt. Zentrales Kriterium (Tatbestandsmerkmal) dafür ist ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.

Kreditwucher

Wann ein solches Missverhältnis vorliegt, ist nicht allgemein verbindlich geregelt. Daher muss jeweils im Einzelfall ermittelt werden, ob ein solches Missverhältnis vorliegt. Bei Kreditverträgen gilt als grobe Faustregel: Ist der erhobene Zins mehr als doppelt so hoch wie marktüblich oder beträgt der Unterschied zwischen erhobenem und marktüblichem Zins gar 12 % und mehr, handelt es sich um Wucher im Sinne von § 138 BGB. Das gilt in der Regel auch für einen Zinssatz von 40 % und mehr. Kreditgeschäfte mit derartigen Zinsgewinnen sind sittenwidrig und damit nichtig.

Sachwucher

Wucher bezieht sich nicht nur auf Kredit-, sondern auf jede Art von Rechtsgeschäfte. Die häufig zu hörende Unterteilung in Kreditwucher und Sachwucher besitzt dabei keine juristische Relevanz, sondern ist historisch bedingt: Die ersten unter Strafe gestellten Wuchergeschäfte betrafen Zinswucher, die Fälle von Sachwucher fanden erst später den Weg in die Gesetzgebung.

Sachwucher bezieht sich in der Regel auf Geschäfte, deren Sittenwidrigkeit nicht von überhöhten Preisen herrührt, sondern auf die Umstände beim Zustandekommen des Geschäfts.

Entsprechend führt § 138 Abs. 2 BGB neben dem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung weitere Tatbestandsmerkmale auf.

Ausbeutung

  • … einer Zwangslage: Der Vertragspartner sieht zum Zeitpunkt der Vertragsabschluss keine andere Möglichkeit und lässt sich in Ermangelung Alternativen auf das Geschäft ein.
  • … einer Unerfahrenheit eines anderen. Ein Beispiel dafür ist ein Ausländer, der eine Wohnung anmietet, ohne den hiesigen Wohnungsmarkt zu kennen. Der Berufsneuling dagegen kann sich trotz mangelnder Geschäftserfahrung nicht darauf berufen. Gemeint ist also nicht die Unerfahrenheit in einem bestimmten Geschäftsbereich, sondern eine allgemeine Unkenntnis der Lebens- und Geschäftswelt.
  • … eines Mangels an Urteilsvermögens. Ein typisches Beispiel dafür ist das Ausnutzen einer Demenz oder anderen geistigen Einschränkung für das Zustandekommen eines Geschäfts.
  • … einer erheblichen Willensschwäche. Beispiel: Geschäfte mit Drogen- oder Medikamentenabhängigen, die quasi „alles“ dafür tun würden, um ihre Sucht befriedigen zu können.

Infobox Wucher 138 Bgb

Strafbarkeit von Wucher nach § 291 StGB

Während § 138 BGB den zivilrechtlichen Aspekt von Wucher erfasst, regelt § 291 StGB die Strafbarkeit von Wucher. Auch in § 291 StGB finden sich die Tatbestandsmerkmale Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen sowie erhebliche Willensschwäche eines anderen, die ausgenutzt werden, um sich oder Dritten Vermögensvorteile zu verschaffen.

§ 291 Abs. 1 StGB führt vier Arten von Wucher auf. Explizit strafbar macht sich, wer sich Vermögensvorteile durch Wucher sichert

  • bei der Vermietung von Räumen zum Wohnen und damit verbundenen Nebenleistungen (umgangssprachlich: Mietwucher)
  • bei der Gewährung eines Kredits (Kreditwucher)
  • bei sonstigen Leistungen (Leistungswucher)
  • bei der Vermittlung der genannten Leistungen (Vermittlungswucher)

Eine Mietpreisüberhöhung ist dabei nicht gleichzusetzen mit Mietwucher. Wer eine im Vergleich zur üblichen Ortsmiete überhöhte Mietzahlung verlangt, begeht in der Regel lediglich eine Ordnungswidrigkeit (ein Anhaltspunkt dafür ist, dass die Miete 20 % über dem üblichen Mietzins liegt). Mietwucher dagegen setzt einen der genannten Tatbestandsmerkmale wie etwa das Ausnutzen einer Zwangslage voraus.

Wie wird Wucher bestraft?

Wucher nach § 291 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen wie etwa dem gewerbsmäßigen Handeln erhöht sich das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahre.

Ein typisches Beispiel: Wucher bei Schlüsseldiensten

Wer einen Schlüsseldienst bestellt, weil er nicht mehr in seine Wohnung kommt, handelt in einer Zwangslage – dieser Ansicht würden spontan sicherlich viele von uns zustimmen. Ob es sich jedoch auch um eine Zwangslage handelt, die dem Tatbestandsmerkmal des Wuchers entspricht, steht auf einem anderen Blatt.

So urteilte etwa das Oberlandesgericht Köln in einem Revisionsverfahren 2016 (1 RVs 210/16), dass die überteuerte Abrechnung eines Schlüsseldienstes nicht zwangsläufig auch strafbarer Wucher sei. Im konkreten Fall hatte die Staatsanwaltschaft den Betreiber eines Schlüsseldienstes wegen Wuchers nach § 291 StGB angeklagt.

Der Schlüsseldienst war an einem Samstagnachmittag von einem Mann gerufen worden, der sich aus seiner Wohnung ausgeschlossen hatte. Zum Öffnen der Tür benötigte der Schlüsseldienst lediglich eine Minute: Die Tür hatte sich mit einer Plastikkarte öffnen lassen. Für diese Dienstleistung stellte der Schlüsseldienst 320 Euro in Rechnung. Laut Staatsanwaltschaft wären jedoch maximal 130 Euro gerechtfertigt gewesen.

Zivilrechtlicher Wucher ist nicht zwangsläufig auch strafbarer Wucher

Wie die Entscheidung des Amts- und Landesgerichts endete auch die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichtes mit einem Freispruch für den Schlüsseldienst. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass der vermeintlich Bewucherte sich nicht in einer Zwangslage befunden habe. Der Ausgeschlossene hätte genug Zeit gehabt, Preise von Schlüsseldiensten vorab abzufragen.

Das Ausgesperrtsein aus der Wohnung allein sei noch kein hinreichendes Kriterium für eine Zwangslage. Eine solche erfordere zusätzliche Umstände wie etwa, dass ein Kind in der Wohnung eingesperrt sei, Wasser aus einer verstopften Rohrleitung trete oder Brandgefahr bestehe, da sich ein Elektrogerät in Betrieb befände.

Das Oberlandesgericht verweist in seiner Revisionsentscheidung abschließend explizit auf den zivilrechtlichen Schutz des Tatopfers und damit auf § 138 BGB. Laut gängiger Rechtsprechung sind demnach Geschäfte nichtig, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Im vorliegenden Fall lag der in Rechnung gestellte Betrag weit über dem Doppelten des dafür üblichen Preises. Zivilrechtlich handelt es sich nach § 138 BGB daher um Wucher. Aus den angeführten Gründen lag im Fall des Kölner Schlüsseldienstes jedoch kein strafbarer Wucher nach § 291 StGB vor.

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