Sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung

Einem Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB geht häufig eine sozialrechtliche Betriebsprüfung voraus, bei der Unstimmigkeiten festgestellt werden. Um der Einleitung eines solchen Ermittlungsverfahrens zuvor zu kommen, sollte die die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung gut vorbereitet sein. Hierzu sollte man wissen, was geprüft wird und wo eventuelle Fallstricke lauern. Denn oft sind es vermeidbare Fehler, die zu hohen Nachzahlungen für Arbeitgeber führen. Die wichtigsten Informationen zu Ihrer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung finden Sie hier im Überblick.

Was ist eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung?

Bei der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung prüfen die Rentenversicherungsträger, ob Arbeitgeber ihre gesetzlichen Meldepflichten eingehalten und die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß erfüllt haben. Zum einen kontrollieren die Träger, ob der Arbeitgeber seine Mitarbeiter sozialrechtlich korrekt einordnete . Zum anderen wird geprüft, ob die Zahlungen an die Deutsche Rentenversicherung (DRV), aber auch an die Krankenkassen, die Arbeitsagentur, die Berufsgenossenschaften, die Pflege- und Unfallversicherung und die Künstlersozialkasse gemeldet und in voller Höhe überwiesen wurden. Weitere Themen sind z.B. Umlagen wegen Mutterschaft und Krankheit sowie die Insolvenzgeldumlage. Bei Versäumnissen aufseiten des Arbeitgebers ist mit Nachzahlungen zu rechnen.

Wann und wie oft findet die Prüfung statt?

Die Prüfung findet alle vier Jahre statt und wird in der Regel einen Monat, spätestens aber 14 Tage vorher durch den zuständigen Rentenversicherungsträger angekündigt. Bei triftigen Gründen wie dem Urlaub oder der Krankheit der Geschäftsführung, einem Betriebsumzug oder bei einer sehr hohen vorübergehenden Arbeitslast kann der Termin in Absprache mit der Prüfbehörde verschoben werden. Eine Ankündigung kann aber auch komplett ausbleiben:Insbesondere bei Verdacht auf Beitragshinterziehung erfolgt die Prüfung ohne vorherige Anmeldung. Häufiger und gründlicher prüfen die Rentenversicherungsträger wegen der Besonderheiten des Personaleinsatzes Baubranchen, Gaststätten, aber auch Taxiunternehmen oder Personalverleiher .

Wie läuft die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung ab?

Die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung führt entweder die Deutsche Rentenversicherung (Bund) oder Ihre Regionalträger durch. Wer genau für ein Unternehmen zuständig ist, entscheidet sich anhand der achtstelligen Betriebsnummer, die jeder Arbeitgeber in Deutschland von der Bundesagentur für Arbeit erhält. Dabei ist die letzte Ziffer dieser Betriebsnummer die sogenannte Prüfziffer. Bei den Prüfziffern von 0 bis 4 übernimmt die Deutsche Rentenversicherung (Bund) die Prüfung, bei den Prüfziffern von 5 bis 9 sind die Regionalträger zuständig. Bei Arbeitgebern, die Entgeltabrechnungen und damit auch die Prüfung durch eine Abrechnungsstelle durchführen lassen, entscheidet sich die Frage nach der Prüfzuständigkeit durch die Betriebsnummer dieser Abrechnungsstelle.

Die eigentliche Prüfung findet in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers bzw. des zuständigen Steuerberaters statt, der dem Prüfer für die Zeit einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen muss. Bei kleineren Betrieben kann das einen Tag dauern, bei größeren entsprechend länger. Bei einem Betrieb mit weniger als 20 Beschäftigen können die Entgeltunterlagen für die sogenannte Vorlageprüfung auch an die Deutsche Rentenversicherung geschickt werden.

Verfügt der Arbeitgeber oder der Steuerberater über zertifizierte Lohnabrechnungsprogramme, kann eine elektronisch unterstützte Betriebsprüfung (euBP) erfolgen, bei der die Daten direkt aus dem Entgeltabrechnungs- und Buchhaltungssystem elektronisch an den Rentenversicherungsträger übermittelt werden. Das geht schneller und macht in manchen Fällen die Prüfung vor Ort sogar überflüssig.

Was muss der Arbeitgeber dem Betriebsprüfer zur Verfügung stellen?

Neben dem Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber dem Prüfer einige Unterlagen zur Verfügung stellen, die dieser kopieren oder (bei elektronischen Daten) abspeichern kann. Bei Entgeltunterlagen der Mitarbeiter werden alle Beschäftigten und Auszubildenden berücksichtigt, die innerhalb des Prüfzeitraums von 4 Jahren beschäftigt waren – unabhängig davon, ob für diese Beträge gezahlt werden oder nicht. Folgende Unterlagen muss der Arbeitgeber den Prüfern bereitstellen:

  • Finanzbuchhaltung einschließlich der Aufwandskonten
  • Lohn- und Gehaltsabrechnungen aller Arbeitnehmer
  • Beitragsabrechnungen
  • Meldungen
  • Unterlagen über Versicherungsfreiheit von Mitarbeitern
  • Anstellungs-, Gesellschafter- und Tarifverträge
  • Dienst- und Werkverträge von selbstständig Tätigen
  • Betriebsvereinbarungen
  • Kassenbücher
  • Abrechnungsunterlagen für freie Mitarbeiter
  • Lohnsteuerhaftungsbescheide aus einer Prüfung des Finanzamtes

Welche Fehler können bei einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung aufgedeckt werden?

Auch wenn jeder Prüfer seine eigenen Prüfungsschwerpunkte haben kann, gibt es dennoch Bereiche, in denen Fehler häufiger auftreten und zu Nachzahlungen führen. Folgende Beschäftigtengruppen sind besonders betroffen.

Studenten und Praktikanten

Bei Schülern und Studenten entstehen Fehler, weil Bescheinigungen – wie Immatrikulationsbescheinigungen – oft nicht vorliegen oder die Beschäftigung nicht versicherungsfrei ist, wie vom Arbeitgeber angegeben. Besondere Vorsicht ist bei Werkstudenten geboten, die nur dann als versicherungsfrei behandelt werden, wenn sie nicht mehr als 20 Wochenstunden arbeiten. Bei Praktikanten wiederum entfallen die Sozialversicherungsbeiträge nur im Falle eines vorgeschriebenen Zwischenpraktikums. Außerdem ist zu beachten, dass selbst bei unentgeltlich beschäftigten Praktikanten dennoch Mindestbeiträge zur Rentenversicherung fällig werden können.

Geringfügig entlohnte Beschäftige

Bei geringfügig oder kurzfristig Beschäftigen erfolgt die Beschäftigungsbeurteilung oft falsch oder ohne Berücksichtigung der weiteren Beschäftigungsverhältnisse. Ist nach einem Tarifvertrag ein bestimmter Stundenlohn fällig, aber der geringfügig Beschäftigte erhält weniger, kommt es zu einer sogenannten Phantomlohnfalle, bei der Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen sind. Auch ist der Arbeitgeber verpflichtet, Pauschalbeiträge wie 13% für die Krankenversicherung abzuführen, selbst wenn Arbeitnehmer mit einem monatlichen Verdienst von bis zu 450€ versicherungsfrei sind. Falsch ist außerdem die Annahme, dass geringfügig beschäftigte Rentner keine Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung abführen müssen, weil die Rente bereits bezogen wird.

Mitarbeiter mit unklarem Status: Festanstellung vs. Selbstständigkeit

Bei freien oder Saison-Mitarbeitern kann eine falsche Einstufung als selbstständige Tätigkeit hohe Nachforderungen verursachen. Ein richtiger Status ist außerdem
bei geschäftsführenden Gesellschaftern wichtig, da oft nicht klar ist, ob sie eine abhängige oder eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit ausüben. Auch bei Angehörigen, die als Arbeitnehmer fungieren, kann das der Fall sein. Ein Statusfeststellungsverfahren bei der sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung ist daher sinnvoll, um hier Sicherheit zu haben

Auf welche Nachzahlung sollte man sich einstellen?

Bei Nachzahlungen gilt: Sie verjähren vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Bei vorsätzlich nicht gezahlten Beiträgen sind es 30 Jahre. Zudem kann auch ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent des Beitrags für jeden angefangenen Monat fällig werden, sofern der Verdacht besteht, dass es vorsätzlich zum Versäumnis kam. Vor allem bei länger zurückliegenden Nachforderungen kann das besonders teuer werden.

Besonders zu beachten ist außerdem die Tatsache, dass Nachforderungen den Arbeitgeber härter treffen als den Arbeitnehmer, obwohl beide Parteien die Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu gleichen Teilen zahlen. Denn während der Arbeitnehmer für seinen Anteil nur für die letzten drei Monate vor der Betriebsprüfung aufkommen muss, gibt es diese Begrenzung beim Arbeitgeber nicht. Dabei hat der Arbeitgeber kaum die Möglichkeit, den Arbeitnehmeranteil von diesem einzufordern. Auch resultiert aus den Arbeitnehmeranteilen, die der Arbeitgeber übernehmen muss, geldwerter Vorteil beim Arbeitnehmer. Aus diesem werden wiederum Lohn- und eventuell Kirchensteuer mit Solidaritätszuschlag sowie Sozialversicherungsbeiträge fällig.

Ob und in welcher Höhe genau Beiträge nachgezahlt werden müssen oder ob Beiträge sogar erstattet werden, wird dem Unternehmen nach der erfolgten sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung schriftlich und innerhalb von zwei Monaten nach dem Prüfungsabschluss mitgeteilt. Die Prüfergebnisse müssen bis zur nächsten Prüfung aufbewahrt werden. Bei Beanstandungen erhält das Unternehmen zudem einen Nachzahlungsbescheid, gegen den innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden kann. Bei einem abgelehnten Widerspruch kann innerhalb eines Monats eine Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden. Im Fall eines abweisenden Urteils des Sozialgerichts ist die Berufung am Landessozialgericht möglich. Jedoch ist zu beachten, dass die Beiträge dennoch erstmal bezahlt werden müssen. Außerdem können Verfahren vor den Sozialgerichten sehr langwierig ausfallen und bereits in der ersten Instanz mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Wie kann man Nachzahlungen vermeiden?

Arbeitgeber haben die Möglichkeit, sich beim Betriebsprüfdienst der Deutschen Rentenversicherung beraten zu lassen. Allgemeine Fragen zur Sozialversicherung können in den DRV-Prüfbüros gestellt werden. Bei konkreten Anliegen kann dagegen die Krankenkasse des Arbeitnehmers weiterhelfen. Auch der Status einzelner Beschäftigter lässt sich klären. Wenn Sie nicht wissen, ob ein Auftragnehmer scheinselbstständig ist oder ob die Angehörigen, die in der Firma arbeiten als Arbeitnehmer oder als Selbstständige einzustufen sind, kann ein kostenloses Statusfrageverfahren durch die DRV Bund hilfreich sein.

Zudem sollten Sie sich gut auf die Betriebsprüfung vorbereiten, indem Sie im Voraus, spätestens aber bei der Prüfungsankündigung die notwendigen Unterlagen zusammentragen und selbst überprüfen. Sollten zum Beispiel Nachweise fehlen, können sie noch beschafft werden. Informieren Sie auch die zuständigen Mitarbeiter oder Ihren Steuerberater rechtzeitig über den Prüfungstermin und klären Sie, wer der Ansprechpartner aufseiten Ihres Unternehmens sein soll. Eine laufende Unterstützung des Prüfers während der Prüfung kann helfen, Unklarheiten zu beseitigen.

Wann ist Unterstützung durch einen Strafverteidiger ratsam?

Unternehmen, die bei ihrer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung auf der sicheren Seite bleiben möchten, haben die Möglichkeit, sich Unterstützung durch einen Anwalt für Strafrecht und Steuerstrafrecht zu sichern. Ein Rechtsanwalt kann bei den Vorbereitungen für eine Betriebsprüfung durch die Finanzämter oder die Deutsche Rentenversicherung helfen und den Prozess begleiten. Bei einem absehbaren Strafverfahren sollte ein Strafverteidiger möglichst frühzeitig zu Rate gezogen werden. Dieses droht, wenn Betriebsprüfer zu der Einschätzung kommen, dass Sozialversicherungsbeiträge gezielt nicht bezahlt wurden.