Als Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsstrafrecht werden all jene Tatbestände des Wirtschaftsstrafrechts bezeichnet, bei denen das Gesetz die Ahndung der Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße zulässt. Die damit mögliche Unterscheidung zwischen „Strafe“ und „Geldbuße“ ist in der Praxis von enormer Bedeutung. Denn für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit bedarf es keines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Das Ordnungswidrigkeitenrecht entlastet die Justiz daher erheblich.
Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist die jeweils sachnahe Verwaltungsbehörde. Sie hat nach § 46 Absatz 2 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Polizei ist dabei als Ermittlungsorgan für die Verfolgungsbehörde tätig.
Als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden können grundsätzlich nur Zuwiderhandlungen mit geringem Unrechtsgehalt, die nicht als kriminelle Taten zu ahnden sind.
Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ermahnt an Pflichten
Mit der Verhängung eines Bußgeldes soll der Beschuldigte eindringlich ermahnt werden, sich künftig an seine Pflichten zu halten. In minder schweren Fällen kann auch eine Verwarnung ausgesprochen werden. Ob diese mit einem Verwarnungsgeld verbunden ist, obliegt dem Ermessen der Behörde. Diese kann nach dem Opportunitätsprinzip jedoch auch ganz auf eine Verfolgung der Zuwiderhandlung verzichten – wenn beispielsweise die Schuld sehr gering ist.
Ordnungswidrigkeiten können viel Geld kosten
Gerade Ordnungswidrigkeiten im Wirtschaftsstrafrecht sollte niemand als die „kleinere Form der Strafe“ verharmlosen. Zwar legt § 17 Absatz 1 OWiG die Höhe der Geldbuße auf einen Rahmen zwischen 5 und 1000 Euro fest, lässt die Bestimmung anderer Höchstbeträge aber offen. Bei Verstößen gegen das Gesetz der Wettbewerbungsbeschränkung (GWB) können beispielsweise bis zu 1 Million Euro verhängt werden; das Kreditwesengesetz sieht gar Höchstbeträge bis zu 5 Millionen Euro vor.
Zwar kann nur eine natürliche Person ordnungswidrig handeln, dennoch können nach § 30 OWiG auch Geldbußen gegen juristische Personen (z.B. Unternehmen) oder Personenvereinigungen (z.B. Vereine) erhoben werden. Für vorsätzliche Straftaten können Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro verhängt werden. Der Erlass eines Bußgeldbescheides kann daher erhebliche wirtschaftliche Folgen für ein Unternehmen haben und dieses „ruinieren“.
Typische Bußgeldtatbestände aus dem Bereich des Wirtschaftsstrafrechts
Zum Leidwesen vieler Steuerzahler ist das Steuerrecht eine reiche Quelle für Ordnungswidrigkeiten. So reichen etwa bei der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO bereits Fehler bei der Buchung oder Aufzeichnungspflicht, um eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit zu begehen, sofern die Fehler zur Steuerverkürzung führen.
Weitere Bußgeldtatbestände finden sich in so unterschiedlichen Bereichen wie unter anderem …
- dem Gewerberecht
- dem Kartellrecht
- dem Lebensmittelrecht
- bei Insolvenzdelikten sowie in Fällen des strafbaren Bankrotts nach § 283 StGB
- bei Untreue im Wirtschaftsleben
- bei Mindestlohnverstößen
- und vielem weiterem mehr
Verfahrensschritte bei Ordnungswidrigkeiten
Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten lässt sich in drei Schritte einteilen:
- Bußgeldverfahren
- Zwischenverfahren
- Gerichtliches Hauptverfahren
Bußgeldverfahren
Das Bußgeldverfahren beginnt mit einem Vorverfahren. In diesem ermittelt die Behörde, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Zu prüfen ist dabei auch, ob eine Einstellung des Verfahrens oder eine Verwarnung in Betracht kommt. Wird dies ausgeschlossen, mündet das Vorverfahren (die Ermittlung) im Erlass des Bußgeldbescheids. Gerade wenn hohe Bußgelder im Raume stehen, sollte möglichst früh ein Strafverteidiger hinzugezogen werden, um eventuell den Erlass eines Bußgeldbescheides noch abwenden zu können.
Zwischenverfahren – Einspruch gegen den Bußgeldbescheid
Gegen einen Bußgeldbescheid kann nach § 67 OWiG der Rechtsbehelf des Einspruchs eingelegt werden. Der Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Bescheids bei der Behörde eingehen, die den Bescheid erlassen hat – schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde. Diese prüft daraufhin, ob sie den Bußgeldbescheid zurücknimmt. Spätestens hier empfiehlt sich die Einschaltung eines Strafverteidigers, denn ohne eine fundierte Begründung ändert die Behörde in den seltensten Fällen ihre zuvor gefasste Ansicht.
Wird der Bescheid aufrechterhalten, wird der Fall weiter zur Staatsanwaltschaft gegeben. Diese prüft bzw. ermittelt nun ihrerseits und entscheidet, ob das Verfahren einzustellen ist oder ob ein Amtsgericht über die Sache zu entscheiden hat. Das Amtsgericht prüft daraufhin seinerseits, ob der Einspruch zulässig ist. Besteht einerseits ein hinreichender Tatverdacht und ist andrerseits der Einspruch zulässig, kommt es zum Hauptverfahren.
Hauptverfahren
Das Hauptverfahren umfasst bei der Ordnungswidrigkeit im Wesentlichen alle Schritte, die auch sonst in einem Strafverfahren getätigt werden. In der Regel wird das Amtsgericht eine Hauptverhandlung zur Klärung der Sache ansetzen. Möglich ist nach § 72 OWiG aber auch eine Entscheidung durch Beschluss, sofern der Betroffene und die Staatsanwaltschaft dem nicht widersprechen.
Kommt es zur Hauptverhandlung, gelten für diese im Wesentlichen die Regeln der StPO. Wie im Strafverfahren können sich Betroffene daher auch im Bußgeldprozess anwaltlich verteidigen lassen. Allerdings gibt es einige Besonderheiten:
- Der Beschuldigte muss zur Hauptverhandlung persönlich erscheinen. Folgt er dieser Pflicht nicht, wird damit zugleich sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verworfen. Der Betroffene hat allerdings die Möglichkeit, sich auf Antrag von dieser Pflicht entbinden zu lassen. Wird ein solcher Antrag vom Gericht verworfen, bleibt die Anwesenheitspflicht des Betroffenen auch dann bestehen, wenn er sich anwaltlich vertreten lässt.
- In der überwiegenden Zahl der Fälle wird weder die Behörde noch der Staatsanwalt einen Vertreter zur Verhandlung schicken, da diese nicht dazu verpflichtet sind. Gerade Vertreter der Behörde werden jedoch häufiger als Zeugen vernommen, um den Sachverhalt aufzuklären.
- Das Gericht hat den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Für den Betroffenen hat das den Vorteil, dass er nicht verpflichtet ist, sich zu äußern oder an der Aufklärung mitzuwirken. Sie sollten sich daher nie selbst zur Sache äußern, sondern alle Schritte vorab mit Ihrem Anwalt abklären.
Rechtsbehelf der Rechtsbeschwerde
Bleibt der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne Erfolg und wird der Betroffene durch das Amtsgericht wegen der Ordnungswidrigkeit verurteilt, bleibt dem Betroffenen noch das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde. Diese ist allerdings an einige Voraussetzungen geknüpft, die ich Ihnen gerne in einem Beratungsgespräch näher erläutere.
Kontaktieren Sie einen auf Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Anwalt
Wenn Sie von der Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen Sie oder Ihr Unternehmen erfahren, sollten Sie unbedingt einen erfahrenen Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht einschalten. Das Ordnungswidrigkeitenrecht wurde im Laufe der Jahre immer weiter ausgebaut und ist wegen der vielen Verweisungen in Spezialgesetze mitunter nur noch schwer zu durchschauen.
Dank meiner Spezialisierungen auf Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht behalte ich nicht nur alle Aspekte des Verfahrens im Blick, sondern kenne mich auch bestens mit den Verfahrensbestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) aus, die gerade für die erfolgreiche Verteidigung von Ordnungswidrigkeiten eine große Rolle spielen.